Das Urteil des OLG Celle vom 04.03.2020 (14 U 182/19) betrifft die Regulierung eines Verkehrsunfalls, an dem ein landwirtschaftliches Gespann (bestehend aus Schlepper und Anhänger) beteiligt war. Der Sohn des klagenden Landwirts steuerte dieses 2,95 m breite und insgesamt 18 t schwere Gespann auf einer 4,95 m breiten Gemeindestraße ohne Fahrbahnmarkierungen. Ihm kam ein PKW mit einer Geschwindigkeit zwischen 75 und 85 km/h entgegen, der mit dem landwirtschaftlichen Gespann kollidierte. Dem Landwirt entstand ein Schaden (Fahrzeugschaden, Mietfahrzeug) in Höhe von ca. 15.500,00 €. Darauf erstattete der Versicherer des PKW 50 %. Der Landwirt hat Klage erhoben und verlangt Schadensregulierung in vollem Umfang. Sein Sohn habe nicht weiter rechts fahren, den Unfall also nicht vermeiden können. Die Fahrerin des PKW sei mit zu hoher Geschwindigkeit und unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot über die Fahrbahnmitte hinaus gekommen.

Die Klage des Landwirts hat vor dem LG zunächst keinen Erfolg gehabt. Das LG hielt eine Haftungsquote von 65 : 35 % zu Lasten des klagenden Landwirts für angemessen. Zwar habe der Sohn des Klägers nicht gegen das Rechtsfahrverbot verstoßen. Er hätte aber, so das LG, den entgegenkommenden PKW durch Hupen oder Lichtzeichen auf sein überbreites Fahrzeug aufmerksam machen und notfalls anhalten müssen. Eine Rundumleuchte habe das landwirtschaftliche Gespann allerdings nicht aufweisen müssen, weil das erst bei Fahrzeugbreiten ab 3 m vorgeschrieben sei. Die Mitschuld der PKW-Fahrerin ergäbe sich aus deren zu hoher Geschwindigkeit und dem Umstand, dass sie nicht weit genug rechts gefahren sei.

Auf die Berufung des Landwirts ändert das OLG Celle das Urteil des LG. Es spricht dem Kläger weitere ca. 3.100,00 € zu. Die Fahrerin des PKW (und damit deren Versicherer) hafte überwiegend, nämlich zu 70 % wegen des Verschuldens der Fahrerin. Den Kläger treffe dagegen allein die sog. (allgemeine) erhöhte Betriebsgefahr seines Fahrzeuggespanns. Die Leitsätze der Entscheidung des OLG Celle lauten:

    • Bei Dunkelheit auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen und nicht befestigtem Seitenstreifen sowie erkennbaren Gegenverkehr (landwirtschaftliches Gespann mit Überbreite) in einer leichten Rechtskurve ist auf halbe Sicht zu fahren.
    • Wer ein landwirtschaftliches Gespann mit Überbreite auf einer schmalen Straße, die er befahren darf, so weit nach rechts steuert, wie es tatsächlich möglich ist, verstößt nicht gegen § 1 Abs. 2 StVO.
    • Kommt es im Begegnungsverkehr auf einer solchen Straße bei Dunkelheit zu einer Kollision zwischen einem landwirtschaftlichen Gespann mit Überbreite, das so weit nach rechts gesteuert wird, wie es tatsächlich möglich ist, mit einem PKW, der die Fahrbahnmitte grundlos leicht überschreitet, so tritt die Haftung aus Betriebsgefahr für das landwirtschaftliche Gespann nicht zurück, sondern fließt mit 30 % in die Haftungsquote ein.
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