Wegen einer Ausnahmeregelung können Junglandwirte auch nach der grundsätzlich abgeschlossenen Erstzuweisung der aktuellen Zahlungsansprüche im Jahr 2015 weitere Zahlungsansprüche aus der sog. Nationalen Reserve erhalten. Ob das nur bei einer erstmaligen Zuweisung oder auch mehrfach möglich ist, hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Als Junglandwirt im agrarförderrechtlichen Sinne gelten Landwirte, die nicht länger als fünf Jahre in einem Betrieb als Betriebsleiter niedergelassen und bei Erstantrag auf Direktzahlungen nicht älter als 40 Jahre alt sind. Wer diese Voraussetzungen erfüllt, hat für höchstens fünf Jahre Anspruch auf die Zahlung der Junglandwirteprämie. Diese wird als eine Art Starthilfe zusätzlich zu den sonstigen Prämien in den ersten Betriebsjahren gewährt. Zusätzlich zu dem Anspruch auf Junglandwirteprämie sind Junglandwirte aber auch im Hinblick auf die Erstzuweisung von Zahlungsansprüchen privilegiert. Grundsätzlich gilt nämlich, dass die Zuweisung der für die Teilnahme an der EU-Agrarförderung benötigten Zahlungsansprüche mit der Neuzuweisung im Zuge der letzten großen Reform 2015 abgeschlossen ist. Nur in Ausnahmefällen können Antragsteller nachträglich noch Zahlungsansprüche zugewiesen bekommen, die der extra für diesen Zweck eingerichteten Nationalen Reserve entnommen werden. Zuweisungsberechtigt sind hier ebenfalls Junglandwirte, die also auch nach 2015 noch Zahlungsansprüche für sonst nicht förderfähige Betriebsfläche erhalten können.
In der Praxis stellte sich Junglandwirten und Förderbehörden regelmäßig die Frage, ob die Zuweisung weiterer Zahlungsansprüche aus der Nationalen Reserve auch dann möglich ist, wenn der betreffende Junglandwirt bereits vorher Zahlungsansprüche zugewiesen bekommen hatte, etwa bei der allgemeinen Erstzuweisung 2015. Relevant wird dieses Problem beispielsweise, wenn ein Junglandwirt Flächen hinzupachtet, nachdem ihm für seine bisherigen Flächen schon Zahlungsansprüche zugeteilt wurden. Anträge auf erneute Zuweisung von weiteren Zahlungsansprüchen aus der Nationalen Reserve für die neuen Pachtflächen wurden bisher in der Regel mit der Begründung abgelehnt, dass eine wiederholte Zuweisung nicht möglich sei. Nach bisheriger Ansicht vieler Behörden sollte es auch einem Junglandwirt grundsätzlich also nur einmal möglich sein, Zahlungsansprüche zugewiesen zu bekommen.
Wegen eines beim VG Schleswig anhängigen Klageverfahrens hat sich nun der EuGH – auf ein Vorabentscheidungsersuchen des VG – mit der Frage beschäftigt, ob die einschlägigen EU-Verordnungen eine mehrfache Zuweisung von Zahlungsansprüchen an Junglandwirte zulassen oder nicht. In dem konkreten Fall hatte die betroffene Junglandwirtin 2015 bei der reformbedingten Erstzuweisung bereits Zahlungsansprüche für ihre damalige Betriebsfläche von rd. 32 ha erhalten. Im folgenden Jahr 2016 beantragte sie in ihrer Eigenschaft als Junglandwirtin die Zuweisung zusätzlicher Zahlungsansprüche aus der Nationalen Reserve für weitere rd. 30 ha Fläche, die in der Zwischenzeit zum Betrieb gekommen war. Der Antrag wurde von der zuständigen Behörde abgelehnt, weil im Jahr 2015 bereits eine Erstzuweisung für die damalige Betriebsfläche erfolgt sei und eine zusätzliche Zuweisung nicht mehr möglich wäre.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 10.03.2021 (C-365/19) nun zugunsten der Junglandwirtin entschieden, dass die einschlägigen EU-Verordnungen anders auszulegen sind. Nach Ansicht des EuGH ergibt sich aus EU-Recht eine Verpflichtung des jeweiligen Mitgliedstaates, Junglandwirten im konkreten Fall auch mehrfach Zahlungsansprüche zuzuweisen, wenn entsprechender Bedarf besteht und in der Nationalen Reserve ausreichend Zahlungsansprüche vorhanden sind.