Das OLG Celle hat am 11.11.2020 (14 U 71/20) eine grundsätzlich bedeutsame Entscheidung zur Regulierung eines Unfalls getroffen, an dem ein landwirtschaftliches Fahrzeug (Feldhäcksler) und ein PKW beteiligt waren. Der Feldhäcksler mit Überbreite (3,45 m) befuhr am Unfalltag eine öffentliche Straße so weit rechts, dass dabei bereits der Grünstreifen neben der Fahrbahn mitbenutzt wurde. Gleichwohl ragte der Feldhäcksler wegen seiner Überbreite noch über die (gedachte) Mittellinie der Fahrbahn hinaus. Ihm kam ein PKW entgegen, der die Fahrbahnmitte ohne ersichtlichen Grund leicht überschritt. Beim Zusammenstoß wurde der entgegenkommende PKW beschädigt und dessen Fahrer verletzt. Die Haftpflichtversicherung des landwirtschaftlichen Fahrzeugs zahlte im Hinblick auf die Betriebsgefahr des Häckslers pauschal 1.800,00 € an den Fahrer und Halter des PKW. Damit hat sich der Fahrer/Halter nicht zufriedengeben wollen, sondern hat Klage erhoben. Dabei hat er vor dem Landgericht zunächst teilweise Erfolg gehabt; dieses hat eine Haftungsquote von 60 (PKW) : 40 (Feldhäcksler) für richtig erachtet. Die Berufung des Klägers weist das Oberlandesgericht nun zurück. Die Berufung sei unbegründet; richtigerweise betrage die Haftungsquote für das landwirtschaftliche Fahrzeug sogar nur 30 %. Das gelte ungeachtet des Umstands, dass für den Feldhäcksler eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 StVZO erforderlich war, die am Umfalltag nicht mehr vorlag. Die Leitsätze des OLG lauten:
Kann ein Fahrzeug mit Überbreite, das bereits den Grünstreifen neben der Fahrbahn mitbenutzt, wegen Alleebäumen nicht noch weiter rechts fahren, ist ein der Überbreite geschuldetes gleichzeitiges Überfahren der (gedachten) Mittellinie der Fahrbahn nicht vorwerfbar.
Eine fehlende Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 StVZO ist im Rahmen der Haftungsabwägung nach §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 3 StVG nicht zu berück-sichtigen, weil die Norm nicht dem Individualrechtsschutz anderer Verkehrsteilnehmer dient und deshalb ein Unfall bzw. der Unfallschaden außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegt.
Kommt es im Begegnungsverkehr auf einer gerade verlaufenden Straße ohne Fahrbahnmarkierungen bei Tageslicht zu einer Kollision zwischen einem landwirtschaftlichen Fahrzeug mit Überbreite, das so weit nach rechts gesteuert wird, wie es tatsächlich möglich ist, mit einem Pkw, der die Fahrbahnmitte grundlos leicht überschreitet, so tritt die Haftung aus Betriebsgefahr für das landwirtschaftliche Fahrzeug nicht zurück, sondern fließt mit 30 % in die Haftungsquote ein.