Griechenland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen verstoßen, dass es versäumt hat, die an griechische Landwirte zum Ausgleich widriger Witterungsverhältnisse gezahlten rechtswidrigen Beihilfen zurückzufordern.
Die griechische Agrarversicherungsanstalt (ELGA) – eine öffentliche Einrichtung mit dem Zweck, landwirtschaftliche Betriebe gegen Schäden zu versichern, die durch natürliche Risiken verursacht werden – leistete im Jahr 2009 an griechische Landwirte Ausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt 425 Mio. Euro für Schäden, die ihnen im Jahr 2008 infolge widriger Witterungsverhältnisse entstanden waren.
Die Kommission stufte diese Maßnahmen als rechtswidrige staatliche Beihilfen ein und erklärte sie für mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Sie gab den griechischen Behörden auf, sie von den Empfängern zurückzufordern.
Griechenland beantragte beim Gericht der Europäischen Union, diesen Beschluss für nichtig zu erklären und seine Vollziehung auszusetzen, bis ein Urteil in der Sache ergangen sei. Im Jahr 2012 ordnete der Präsident des Gerichts die Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses an, soweit er Griechenland verpflichtete, die unvereinbaren Beihilfen von den Empfängern zurückzufordern. Dennoch wies das Gericht im Jahr 2014 die Klage in der Sache ab (EuG, Urteil vom 16.07.2014, T-52/12). Griechenland legte daraufhin ein Rechtsmittel beim Gerichtshof ein und beantragte, das Urteil des Gerichts aufzuheben und die Vollziehung des Beschlusses der Kommission bis zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel auszusetzen. Der Gerichtshof wies den Antrag auf Aussetzung sowie das Rechtsmittel zurück und bestätigte die Verpflichtung des griechischen Staates, die Beihilfen zurückzufordern (EuGH, Urteil vom 08.03.2016, C-431/14 P).
Die Kommission ist der Auffassung, dass Griechenland nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen alle zur Durchführung des Beschlusses erforderlichen Maßnahmen getroffen habe und sie nicht hinreichend über die in Anwendung des Beschlusses getroffenen Maßnahmen informiert habe. Sie hat daher Klage wegen Vertragsverletzung erhoben. Mit seinem Urteil vom 12.05.2021 (C-11/20) gibt der Gerichtshof der Vertragsverletzungsklage der Kommission statt.
Er stellt fest, dass Griechenland mehr als acht Jahre nach Erlass des Beschlusses der Kommission noch immer nicht seine Durchführung betrieben hätte. Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass es Griechenland nicht absolut unmöglich war, die Beihilfen zurückzufordern. Die administrativen oder technischen Schwierigkeiten aufgrund der hohen Zahl der Empfänger erlaubten nicht die Annahme, dass die Rückforderung technisch nicht durchführbar ist. Zudem zeigte Griechenland im Juni 2015, also drei Jahre nach Ablauf der vorgenannten Frist, seine Absicht an, Vorschriften zu erlassen, um diese administrative Schwierigkeit zu beseitigen.
Was das Argument Griechenland betrifft, wonach es den interministeriellen Erlass zum Zweck der Rückforderung von Beträgen, die höher als 5 000 Euro seien, nicht erlassen habe, weil die Kommission sich dem entgegengestellt habe, stellt der Gerichtshof klar, dass die Kommission ihre Besorgnis in Bezug auf eine willkürlich festgelegte Grenze, unterhalb deren keine Rückforderung erfolgen sollte, zum Ausdruck gebracht hat. Dies hinderte Griechenland jedoch nicht daran, die Änderung des rechtlichen Rahmens fortzusetzen, um sicherzustellen, dass der Beschluss der Kommission durchgeführt würde.
Was die Anführung sozialer Unruhen angeht, zu denen die Rückforderung der Beihilfen geführt hätte, hätten, so der EuGH weiter, die griechischen Behörden nicht dargetan, dass eine reale Gefahr einer Reaktion seitens der Landwirte bestanden habe, die Folgen für die öffentliche Ordnung gehabt hätte, denen sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht hätten begegnen können.
Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass Griechenland es versäumt habe, die Kommission über die in Anwendung des Beschlusses getroffenen Maßnahmen hinreichend zu informieren.